Wie geht es nach dem Inkrafttreten des Solarpakets I weiter?
Seit Inkrafttreten des „Solarpakets I“ sind inzwischen einige Wochen vergangen.
Wie angekündigt, wollen wir daher nun nach und nach die einzelnen Themen näher beleuchten, die für Sie als Verteilnetzbetreiber besondere Relevanz im Tagesgeschäft besitzen.
Viel wurde im sich gefühlt endlos dahinziehenden Gesetzgebungsprozess von „Vereinfachung“ und „Entbürokratisierung“ gesprochen, beziehungsweise geschrieben. Namentlich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte sich diese Begrifflichkeiten auf die Fahnen geschrieben.
„Können ‚die da oben‘ auch einfach?“, mag sich der ein oder andere aus dem einspeiseseitigen Netzbetrieb da hoffnungsvoll, aber auch skeptisch gefragt haben.
Welche Tendenz die treffendere war, wird sich zeigen, während wir uns in diesem und den folgenden Newslettern den relevanten Themen aus dem „Solarpaket I“ näher zuwenden. In diesem Zuge wollen wir Ihnen zusätzlich an der ein oder anderen Stelle praktische Hinweise zu häufigen Anwenderfragen an die Hand zu geben.
Fokusthema „Steckersolargeräte“
Für sie werden allemal mehr unterschiedliche Bezeichnungen verwendet, als sie Module besitzen dürfen, um unter die Privilegien des EEG 2023 neue Fassung (n.F.) vom 16. Mai zu fallen: die „Steckersolargeräte“, die per § 3 Nr. 43 durch das „Solarpaket I“ Einzug in die Begriffsbestimmungen der EEG gehalten haben.
Für die einen sind sie der Heilsbringer der Energiewende, für einige bedeuten sie sehr viel Arbeit, für wieder andere stellen sie sogar eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Eine übliche 6,3-A-Sicherung löse beispielsweise bei 1,45 kW aus; mit einem 800-VA-Steckersolargerät im Endstromkreis bei voller Einspeiseleistung erst bei 2,25 A. Was das für die Gerätesicherheit oder auch Wärmeentwicklung an den elektrischen Leitern bedeuten könnte, wird sich zeigen.
Ob nun völlig harmlos, gefährlich, oder etwas dazwischen: das EEG sieht mit Wirkung vom 16. Mai einige Privilegien für Steckersolargeräte hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers vor, soweit diese in ihrer Gesamtheit eine Modulleistung von 2 kW und Wechselrichterleistung von 800 VA nicht überschreiten.
Anmeldung und Netzanschluss
Zu nennen ist hinsichtlich der Privilegien insbesondere der Wegfall der Notwendigkeit der Anmeldung des Steckersolargeräts beim Netzbetreiber per § 8 Abs. 5a EEG 2023 n.F. Möchte man seit dem 16. Mai ein Steckersolargerät in Betrieb nehmen, genügt es laut dem aktuellen EEG, dieses im MaStR zu melden. Alle weiteren Prozesse, bis hin zu einem gegebenenfalls notwendigen Tausch des bisher noch verbauten Ferraris-Zählers, laufen mit diesem „Trigger“ los, wobei gemäß § 10a Abs. 2 EEG 2023 n.F. in den Fällen des § 8 Abs. 5a ein zeitweiser Zählerrücklauf zu tolerieren ist. Ob es an dieser Stelle ketzerisch wäre zu behaupten, der Anreiz zur Meldung der Anlage im MaStR sei eher gering für Haushalte, die noch im Besitz eines solchen Ferraris-Zählers sind? Denn für den Betreiber ist es doch eine tolle Sache, sollte sich der Bezugszähler einmal rückwärts drehen!
Für die Strommengenbilanzierung wird das jedoch spätestens dann zum Problem, wenn diese Anlagen in Verbindung mit den noch zahlreich vorhandenen alten Zählermodellen zum Massenphänomen werden. In 2023 wurden etwa 300.000 Steckersolargeräte mit einer Leistung von 200 MW installiert. Insgesamt sind somit bereits ca. 500.000 dieser Anlagen am Netz. Ein Nischenphänomen? Mitnichten! Nicht wenige Netzbetreiber berichten auch bereits von spürbaren Schieflagen in der Strommengenbilanzierung.
Das EEG nimmt Steckersolargeräte in den genannten Leistungsgrenzen also seit dem 16. Mai vom Anmeldeverfahren beim Netzbetreiber aus. Zuvor mussten Anlagen mit einer Wechselrichterleistung von bis zu 600 VA zumindest per vereinfachtem Verfahren bei den Netzbetreibern angemeldet werden. Ab Einbau eines Zweirichtungszählers konnte das 600-VA-Steckersolargerät dann über die per VDE-Norm definierte spezielle Energiesteckdose angeschlossen werden, ohne dass es dafür der Anwesenheit einer Elektrofachkraft bedurfte. Wie lange auch immer die EEG-Novelle hatte auf sich warten lassen; sie kam noch vor der Produktnorm DIN VDE V 0126-95. Diese soll den Rahmen liefern für die sichere Erhöhung der durch die bisherige Norm definierte Einspeiseleistung von 600 auf 800 VA unter Nutzung einer (ggf. leicht modifizierten) haushaltsüblichen Steckdose. Die Produktnorm befindet sich zwar bereits auf gutem Wege, aber noch ist sie nicht da. Die Stimmen der Befürworter der größeren Steckersolargeräte erhoben sich schnell im „normfreien Raum“, dass eine noch ausstehende Normierung gleichwohl keinem offiziellen Verbot gleichkomme.
In den FAQ des BMWK zum Solarpaket I wird im Ergebnis jedoch betont, dass aktuell weiterhin eine Leistungsschwelle von 600 VA gemäß der Stand heute noch gültigen VDE-AR-N 4105 gelte, bis die neue Produktnorm da sei! Somit dürften am Ende auch die Privilegien des § 8 Abs. 5a EEG 2023 n.F. nur bis 600 VA beansprucht und die Anlage vom Betreiber „einfach so“ selbst angeschlossen werden, obgleich im EEG bereits ein anderer Leistungswert zu finden ist und auch der Anmeldeprozess im MaStR diesem bereits folgt.
So gibt es also bezüglich der Frage, was denn nun Stand heute wirklich gilt, zwei Lesarten, so wie es auch Befürworter und Gegner der Steckersolargeräte gibt.
Wie könnte daher ein konkreter Rat für die (kurze?) Übergangszeit bis zur Veröffentlichung der neuen Norm aussehen? Eventuell sprechen an dieser Stelle die Tatsachen bereits für sich, nach denen viele Netzbetreiber schon gar nicht mehr nach der Steckvorrichtung fragen (inoffizielle Zahlen nennen eine 80%-Anschlussquote in Sachen Anschluss über einen „SchuKo-Stecker“). Ebenso orientiert sich ein überwiegender Anteil der Netzbetreiber seit Mitte Mai an den Leistungsgrenzen des EEG 2023 n.F. Resignation? Viel mehr wohl notwendiger Pragmatismus, denn wer möchte schon in all den Einzelfällen intervenieren, in denen eine reine MaStR-Anmeldung über eine Anlage mit > 600 bis 800 VA ins Haus flattert?
Entscheiden Sie selbst, an welcher Leistungsschwelle Sie sich bis zum Erscheinen der neuen Norm orientieren wollen und wie Sie bezüglich der Datenerhebung zur Steckvorrichtung vorgehen möchten. Die Sachlage legt indes nahe, bereits heute die Leistungsschwellen des EEG zu tolerieren und der Steckvorrichtung nur dann auf den Zahn zu fühlen, wenn dies im Sinne der Netzsicherheit angezeigt ist.
Ausblick auf die „unentgeltliche Abnahme“ und Netzbetreiberprüfung
Abschließend ist zum Anmeldeverfahren rein über das MaStR noch zu sagen, dass dieses voraussetzt, dass für die Anlagen jeweils keine Vergütung beansprucht wird und diese der „unentgeltlichen Abnahme“ zugeordnet werden. Das ist für die Betreiber der Steckersolargeräte recht einfach, denn sie müssen sich schlicht und einfach im MaStR-Anmeldeprozess gar nicht zum Vergütungsthema äußern – sie können es im Übrigen im dortigen vereinfachten Anmeldeverfahren auch gar nicht.
Die neue Veräußerungsform der „unentgeltlichen Abnahme“ beleuchten wir in einem der nachfolgenden Newsletter für die Einspeiseseite; auch sie bringt die ein oder andere spannende Frage mit sich!
Wussten Sie es übrigens schon? Die BNetzA bittet darum, im Rahmen des vereinfachten Anmeldeprozesses für privilegierte Steckersolargeräte keine Änderungsvorschläge zu den Anlagen per Netzbetreiberprüfung zu übermitteln, da dies die Prozesse verlangsamen würde!
In diesem Sinne stellt der Erstaufschlag der Daten bei Ihnen den o.g. „Trigger“ dar – darüber hinaus ist man durch die BNetzA angehalten, die MaStR-Daten 1:1 in die eigenen Systeme zu übernehmen.
„Steckersolargerät“ mit Einspeisevergütung?
Und wenn ein Anlagenbetreiber für sein Steckersolargerät doch eine Einspeisevergütung beanspruchen möchte? Das darf er natürlich, wobei er seinen Vergütungsanspruch dann im Rahmen des vereinfachten Anmeldeverfahrens beim Netzbetreiber geltend macht, denn um ein nach § 8 Abs. 5a und § 10a Abs. 2 EEG 2023 n.F. privilegiertes Steckersolargerät handelt es sich dann nicht mehr! Das bedeutet auch, dass ein Anschluss erst nach einem gegebenenfalls notwendigen Zählertausch erfolgen darf!
Kombination aus „Steckersolar-“ und „normaler“ Solaranlage: Mengenverteilung?
Irgendwann – in der Regel spätestens nach insgesamt vier Monaten ab Anmeldung – „sitzt“ der Zweirichtungszähler. Wenn er bereits vor dem Steckersolargerät vorhanden war, umso besser für die korrekte Mengenerfassung bezüglich der Ein- und Ausspeiseseite. Noch besser natürlich, wenn die Steckersolargeräte dabei möglichst weitgehend automatisiert in Ihren Systemen angelegt werden (wir berichteten).
Da wir es eingangs von der Meldemoral im MaStR hatten, sollte sich im Keller noch ein Ferraris-Zähler drehen – wie mag es um diese bestellt sein, wenn man bspw. bei bereits vorhandenem Zweirichtungszähler mit dem Steckersolargerät seine ebenso bereits vorhandene Aufdachanlage leistungsseitig „boostert“, insbesondere dann, wenn der Vergütungssatz für die reguläre Gebäudeanlage recht hoch ist?
Für Sie ist wichtig: Es gilt, dass eine mengenseitige Aufteilung auf die Anlagen, die sich die gemeinsame Einspeisemessung teilen, immer zu erfolgen hat! § 24 Abs. 3 EEG ist unabhängig von der Anlagengröße grundsätzlich anzuwenden, auch wenn das dem ein oder anderen Betreiber sauer aufstoßen mag! Heißt also: immer aufteilen – hier dann nach der installierten Leistung!
Privilegien bezüglich technischer Vorgaben und Ausblick auf die Anlagenzusammenfassung
Sucht man abschließend im EEG 2023 n.F. nach dem Begriff „Steckersolargerät“, so werden einem neben den §§ 8 und 10a auch Fundstellen in den §§ 9 und 24 angezeigt.
In § 9 Abs. 1 Satz 3, geht es darum, dass Steckersolargeräte, die hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers mit insgesamt bis zu 2 kW und 800 VA betrieben werden, mit Wirkung vom 16.05.2024 grundsätzlich keine technischen Vorgaben nach § 9 EEG erfüllen müssen.
Ebenso werden diese aus den Zusammenfassungsregeln nach den §§ 9 Abs. 3 und § 24 Abs. 1 herausgenommen. Aber Achtung: immer nur bis zu den genannten Leistungsschwellen!
Was passiert, wenn diese überschritten werden – schlimmer noch: per sukzessivem Anlagenzubau?
Das ist wiederum ein Thema für einen weiteren Newsletter zu den Fokusthemen des „Solarpakets I“. So viel vorweg: Die vom BMWK angepriesenen „Vereinfachungen“ in der Anlagenzusammenfassung sucht man vergeblich, vielmehr werden die Regelungen einmal mehr komplexer in der Anwendung im Netzbetrieb!
Waren Sie dabei beim Webinar „Das »Solarpaket I« für Praktiker aus Netzbetreibersicht“ am 31. Juli? Dann wissen Sie eventuell schon mehr.