Fokusthemen: Kundenanlage und Netz, Ende der Umsatzsteuerrechtlichen Hin- und Rücklieferung bei vergütetem Selbstverbrauch
In unserem heutigen Artikel unter der Rubrik „Neues aus dem Bereich ESM | EEG“ wollen wir uns aus gegebenem Anlass mit Themen auseinandersetzen, die nicht dem „Solarspitzen-Gesetz“ zuzuordnen sind. So gut wie jeder im einspeiseseitigen Netzbetrieb wird sie mitbekommen haben: die Diskussion um das Thema der Kundenanlage nach § 3 EnWG in Verbindung mit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑293/23 und der zugehörigen BGH-Entscheidung (EnVR 83/20).
Umgehend kamen Fragen auf, ob zukünftig Mieterstromprojekte oder gar Projekte im Rahmen der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung grundsätzlich nicht mehr umsetzbar sein würden für kleine Akteure, sollte die jeweilige Kundenanlage zu einem regulierten Netz „mutieren“. Zumindest was das einzelne Gebäude angeht, mochte sich sofort alles gegen diesen Gedanken gesträubt haben, denn das könnte doch wohl kaum Sinn der Sache sein. Gespannt erwartete der fachlich Interessierte das entsprechende Urteil des BGH zum Thema, welches am 13.05.2025 gefällt wurde. Nachfolgend wollen wir uns diesem Thema näher widmen. Abgerundet wird der heutige Artikel mit einem weiteren aktuellen Thema: dem Ende der umsatzsteuerrechtlichen Hin- und Rücklieferung bei vergütetem Selbstverbrauch. Auch hier fragte man sich seinerzeit: „Kann das so wirklich richtig sein?“

Fokusthema Kundenanlage und Netz
Das eingangs erwähnte Urteil des EuGH schlug Ende 2024 ein wie eine kleine Bombe. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH hatte sich der EuGH mit einem Sachverhalt in Zwickau befasst, dem das OLG Dresden zuvor den Status der Kundenanlage abgesprochen hatte. Der EuGH ging in seinem Urteil mit und stellte fest, dass der Begriff der Kundenanlage europarechtskonform auszulegen sei, was stark verkürzt heißen will, dass eine privilegierte Weiterleitung von Strom an Dritte nur dann zulässig ist, wenn sie wirtschaftlich vernachlässigbar ist und nicht innerhalb eines Energieversorgungsnetzes stattfindet. Der BGH bestätigte daraufhin am 13. Mai (EnVR 83/20) endgültig inhaltlich das Urteil des OLG Dresden, wonach es sich bei dem geplanten Versorgungs-Komplex in Zwickau, der zudem noch durch eine Straße räumlich getrennt wird, nicht um eine Kundenanlage, sondern vielmehr um ein Energieversorgungsnetz handele.
Energieversorgungsnetze, das ist bekannt, unterliegen einer starken Regulierung. Für Betreiber kleiner Kundenanlagen zur Belieferung Dritter, bspw. in Mehrfamilienhäusern, würde das definitiv eine nicht zu stemmende Hürde darstellen.
Energieversorgungsnetz, ja oder nein?
Da das BGH-Urteil nur einen Einzelfall betrachtet, wird nun mit Spannung die Urteilsbegründung erwartet, die Ende Mai/Anfang Juni jedoch noch nicht vorlag. So mancher erhofft sich aus dieser mehr Aufschluss darüber, wo denn nun genau die Grenze zu ziehen ist zwischen einer privilegierten Kundenanlage und einem regulierten Energieversorgungsnetz.
Vermutlich wird das Warten an dieser Stelle aber eher vergeblich sein, denn dass die Urteilsbegründung uns eine klare Richtschnur zur Bewertung der Frage „Kundenanlage oder Netz?“ an die Hand gibt, das ist unwahrscheinlich. Bis sich allgemein anwendbare Regelungen und Grenzwerte auf Basis von Folgeurteilen ableiten lassen, werden vermutlich vielmehr noch Jahre vergehen. Bis dahin wird die oben genannte Frage immer wieder im Raum stehen – im Zweifel bei zahlreichen Einzelfällen.
Versuch einer Annäherung
Ein Energieversorgungsnetz wird betrieben von einem Verteil(er)netzbetreiber, der sich gemäß Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie wie folgt definiert:
„ein „Verteilernetzbetreiber“ [ist] eine natürliche oder juristische Person, die verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Verteilernetzes in einem bestimmten Gebiet und, sofern vorhanden, der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Verteilung von Elektrizität zu decken;“
Da also die EU-Definition explizit auf ein Gebiet abstellt, lässt sich die zentrale Definitionsfrage darauf eingrenzen, ab wann man bei dem betroffenen Versorgungskonzept von einem „Gebiet“ sprechen muss und wann noch nicht. Dabei geht es immer um das Sammeln von Anhaltspunkten, denn EuGH und BGH haben nur die Einzelfrage beantwortet und nichts grundsätzlich entschieden. Geber von Anhaltspunkten kann dabei bspw. unter anderem die EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) sein.
Was können wir Stand heute als relativ gesicherte Erkenntnis mitnehmen?
Auf Basis von Anhaltspunkten als vermutlich sicher gelten darf:
- Installationen innerhalb eines Gebäudes können nicht als Energieversorgungsnetz angesehen werden (Hausinneninstallation).
- Fremdnutzung eines Gebäudes: Es darf keinen Unterschied machen, ob Eigentum oder Vermietung.
- Um ein Gebäude im Sinne einer Kundenanlage kann es sich auch handeln, wenn mehrere Gebäude baulich verbunden sind, bspw. über ein Dach. Bei einer loseren Verbindung von getrennten Gebäuden bspw. über eine Tiefgarage kann das unter Umständen aber schon wieder anders aussehen.
- Direktleitungen nach EU-Binnenmarktrichtlinie sind keine Energieversorgungsnetze.
- Die EU-Kommission wird kaum die EU-Binnenmarktrichtlinien anfassen wollen – was sich aus diesen ableiten lässt, wird sehr sicher auch zukünftig weiter Bestand haben.
- Die BNetzA, die vermutlich die privilegierte Kundenanlage soweit möglich schützen möchte, wird sich zu diesem Thema noch äußern.
- Das Vorliegen mehrerer Netzanschlüsse oder mehrerer Gebäude auf verschiedenen Grundstücken spricht nach aktueller Lage stark gegen eine Kundenanlage und für ein Energieversorgungsnetz.
Unsicherheiten werden bis auf Weiteres bestehen bleiben. Bei größeren Quartiersprojekten wird man definitiv nun genauer hinsehen müssen, wobei sich ein Streitfall immer genau dann ergibt, wenn die Ansichten der beteiligten Parteien nachhaltig auseinanderlaufen – und auch nur dann. Was muss im Streitfall passieren? In diesem Falle sollte der Sachverhalt der Regulierungsbehörde vorgelegt werden. Dem Anschlusspetenten sollten Sie als Verteilnetzbetreiber dann mitteilen, dass Sie von einem Netz und nicht von einer Kundenanlage ausgehen, wobei natürlich gilt, dass auch Netzbetreiber ein Recht darauf haben, angeschlossen zu werden!
Hinweis: Wenn das Thema auch Stand heute inhaltlich nicht abschließend betrachtet werden kann, so werden wir Sie über relevante Neuerungen auf diesem Gebiet selbstverständlich weiterhin auf dem Laufenden halten! Sie haben bereits heute konkrete Fragen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung!
Fokusthema Ende der umsatzsteuerrechtlichen Hin- und Rücklieferung bei vergütetem Selbstverbrauch
Wer sich als Rechtsanwender beim Verteilnetzbetreiber im Jahre 2008 vorbereitend mit dem EEG 2009 auseinandersetzte, konnte damals noch nicht ahnen, welche Pendelpolitik im Grunde mit dieser Norm einsetzen sollte. Bis dahin waren die Fahrwasser des EEG eher ruhig – und es ging vergütungsseitig auch immer nur um den in das Netz für die allgemeine Versorgung eingespeisten Strom. Immerhin: seit der deutlichen Vergütungserhöhung für Solar/Gebäude-Anlagen per EEG 2004 ging es mit deren Anzahl – für seinerzeitige Verhältnisse wohlgemerkt – stetig bergauf.
Die Geburtsstunde des vergüteten solaren Selbstverbrauchs
Vor diesem Hintergrund kam dem Gesetzgeber mit dem EEG 2009 der Gedanke, dass es für die Netze durchaus sinnvoll sein könnte, wenn der Strom aus Solar/Gebäude-Anlagen teilweise direkt vor Ort beim Erzeuger verbraucht würde; und wie könnte dieses Ziel besser erreicht werden als über eine finanzielle Förderung? So war er geboren, der vergütete solare Selbstverbrauch. Der war für die Betreiber von Neuanlagen eine richtig tolle Sache: Man spart sich den Strombezug aus dem Netz – inklusive der EEG-Umlage natürlich, die diesen zusätzlichen Kostenblock seinerzeit refinanzierte – und bekommt dafür sogar noch eine Vergütung, die im EEG 2009 mit 25,01 Ct/kWh ausgelobt wurde. Das Ganze zunächst begrenzt auf Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 30 kW. Dass dieses Prinzip eine Tendenz zum Unsolidarischen hat, war damals noch kein Thema.
Die erste Umsetzung – ein kurzes Gastspiel
Was waren seinerzeit also die vorbereitenden Überlegungen der Anschlussnetzbetreiber zur Umsetzung der neuen Anforderungen? Alles, was es nach dem EEG mengenseitig zu vergüten gilt, muss messtechnisch erfasst werden – eichrechtskonform natürlich. Also musste eine Erzeugungsmessung her, denn die Ermittlung der vergütungsrelevanten Selbstverbrauchsmenge bestand aus der Bildung der Differenz aus Erzeugung und Einspeisung. Etwas neue Mengenermittlung also, ein neuer Tarif im Abrechnungssystem und weiter geht´s – halb so wild.
Die Geburtsstunde des umsatzsteuerrechtlichen „Ping-Pong-Spiels“
Da hatten die Netzbetreiber die Rechnung jedoch ohne die oberste Finanzbehörde der Länder gemacht! Nicht genug, dass das Hauptzollamt gerne mal im Stadtwerk vorbeikam und nach echtem Grünstrom und dessen Grünstrom-Leitungen suchte, ganz so, als hätten Elektronen eine Farbe. Wie ist das jetzt mit dem „Direktverbrauch“ beim Erzeuger vor Ort? Wer liefert oder leistet denn da nun im Rahmen der Umsatzsteuer? Niemand? Das wiederum kann nicht sein und wenn doch, dann ist das zu ändern! So wurde zum 01.04.2009 ein Konstrukt geboren, das in der Praxis oftmals als das „steuerrechtliche Ping-Pong-Spiel“ bezeichnet und das später analog auch für nach dem KWKG bezuschlagte Anlagen eingeführt wurde.
So musste also seither steuerrechtlich fingiert werden, dass die komplette Erzeugung, also echte Einspeisung plus Selbstverbrauch, in das Netz eingespeist wird und der selbstverbrauchte Anteil der Erzeugung durch den Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber zurückgekauft werden muss. Das Ganze immer dann, wenn (und solange) für die komplette Erzeugung dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch besteht. Für jeden Kleinunternehmer konnte so ein „Steuerschaden“ generiert werden, indem alles, was an das Netz geleistet wurde, mit 0% USt erfasst wurde und alles, was vom Netz bezogen wurde, dagegen mit 19% – und schon war es das mit dem gerade angelegten neuen und simplen Vergütungstarif. Die im EEG festgehaltenen 25,01 Ct/kWh wurden in der operativen Umsetzung so zur vollen Einspeisevergütung für die komplette Erzeugung, seinerzeit 43,01 Ct/kWh für die erste Leistungszone bis 30 kW; der „Rückkauf“ kostete den Anlagenbetreiber wiederum 18 Ct/kWh.
Das 1. EEG-Änderungsgesetz zum 01.07.2010 zeigt seine Wirkung: Vergütungskategorien-Maximum für Solar/Gebäude-Anlagen
Da die Möglichkeit der vergüteten Nutzung des selbst erzeugten Stroms aus Solar/Gebäude-Anlagen für solche Anlagen mit einer Inbetriebnahme ab dem 01.07.2010 von 30 auf 500 kW angehoben wurde und der Gesetzgeber zusätzlich auch noch der Meinung war, einen Eigenverbrauchsanteil von mehr als 30% der Gesamterzeugung der Anlage nochmals stärker fördern zu müssen, kam es dazu, dass eine Vergütungsabrechnung einer Solar/Gebäude-Anlage mit vergütetem Selbstverbrauch schon auch mal aus 12 verschiedenen Vergütungskategorien bestehen konnte (einzusehen auf netztransparenz.de). Der Gipfel der finanziellen Bevorzugung von solarem Selbstverbrauch war damit erreicht – das Pendel stand vor seiner ersten Umkehr, an dessen nächster Umkehr die EEG-Umlage auf unvergütete personenidentisch selbstverbrauchte Erzeugung stand.
Das umsatzsteuerrechtliche „Ping-Pong-Spiel“ bekommt erste Risse: Aufhebung für KWKG-Anlagen
Im Direktverbrauch eine Lieferung oder Leistung zu erkennen, mag vielleicht bereits im Jahr 2009 genauso fragwürdig gewesen sein, wie die Suche nach den grünen Elektronen bzw. Stromleitungen – oder aber nach dem Energieversorgungsnetz in der Hausinneninstallation (siehe vorhergehendes Fokusthema). Vorgabe war aber Vorgabe und so hat diese rein umsatzsteuerrechtlich induzierte fingierte Hin- und Rücklieferung des Selbstverbrauchs seither unglaubliche Aufwände bei denen verursacht, die das Thema umzusetzen hatten. Das waren die VNB einerseits und nachfolgend natürlich auch die ÜNB andererseits.
Wer dieses steuerrechtliche Konstrukt schon immer zumindest fragwürdig fand, durfte sich im Jahre 2021/22 bestärkt sehen durch den Leitsatz eines Urteils des Bundesfinanzhofs (29 XI R 18/21) der da besagte: „die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.“
Was für ein Knall – und das war es dann also mit dem steuerrechtlichen „Ping-Pong“ auf die Einspeisevergütung (respektive der vermiedenen Netznutzung) bei KWKG-Anlagen, für die dem Grunde nach ein Zuschlagsanspruch auf die KWK-Nettostromerzeugung bestand.
Berechtigte Frage damals: Fällt diese Hin- und Rücklieferungsfiktion dann auch automatisch für die Solar/Gebäude-Anlagen mit vergütetem Selbstverbrauch weg? Mitnichten, denn das Urteil bezog sich ja explizit nur auf Anlagen, die nach dem KWKG vergütet werden!
Die Hin- und Rücklieferungsfiktion fällt endgültig
Fast auf den Tag genau 16 Jahre nach dem „Ping-Pong-Urknall“ – am 31.03. dieses Jahres – veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen ein Schreiben, dass nun im Ergebnis auch für die betroffenen Solar/Gebäude-Anlage zum selben Ergebnis kommt. Auch vergüteter EEG-Selbstverbrauch stellt demnach nun umsatzsteuerrechtlich gerade keine Lieferung mehr dar, womit es sich bei diesem demnach um einen nichtsteuerbaren, echten Zuschuss handelt. 16 Jahre Aufwand und am Ende hätte das alles gar nicht sein müssen!
Zeitlicher Horizont bezüglich des Wegfalls der Regelung für Solar/Gebäude-Anlagen
Aber vorbei ist vorbei und so gilt: Zukünftig gibt es bezüglich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des vergütungsrelevanten Eigenverbrauchs keinen Unterschied mehr zwischen EEG- und KWKG-Anlagen.
Wirkungsbeginn der Neuregelung für Solar/Gebäude-Anlagen laut BMF-Schreiben vom 31.03.2025: die Neuregelung gilt ab sofort für alle offenen (Abrechnungs-)Fälle. Aber: „Es wird jedoch – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die Beteiligten für vor dem 1. Januar 2026 ausgeführte Umsätze übereinstimmend Abschnitt 2.5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in der bis zum 31. März 2025 geltenden Fassung anwenden.“ Das heißt, es existiert eine Übergangsregel bis zum 31.12.2025, nach der das bisherige Vorgehen beibehalten werden darf. Spätestens ab dem 01.01.2026 ist die Umstellung dann Pflicht, was sich operativ vermutlich auch als einheitliches Umstellungsdatum innerhalb der Abrechnungssysteme anbieten wird.
Operativer Nachhall: Beibehaltung der Netto-Abrechnungsmechanismen im EEG
Was sich nach Ermittlung der EEG-relevanten Nettovergütung auch immer umsatzsteuerrechtlich vereinfachen mag ab spätestens 2026: Jeder der sich beruflich mit den Vergütungsmechanismen und -kategorien des EEG auseinandersetzt weiß, dass diese einem, wenn sie einmal „geboren“ wurden, so lange erhalten bleiben, bis auch die letzte Anlage aus der ersten gesetzlichen Vergütung fällt, die noch vom entsprechenden Mechanismus betroffen war.
So bleibt es zwar im komplexesten Abrechnungsfall bei 12 verschiedenen Vergütungssätzen, aber das ganze System zur Mengenermittlung zurückzubauen auf den Stand vom 31.03.2009, das wäre vielleicht dann doch auch zu viel des Guten gewesen.